Wieder zurück im öffentlichen Diskurs sind die Klagen von Umweltverbänden gegen neue Windkraftanlagen. Oft geht es dabei um den Schutz gefährdeter Arten. Seit 2015 verzeichneten so verschiedene Bundesländer bis zu 90% weniger Baugenehmigungen von Windkraftanlagen. Um den Rückgang der Genehmigungen zu begegnen, beschloss die Ampel-Regierung eine Änderung für das Bundesnaturschutzgesetz als „Planungsbeschleunigungspaket II“. Mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderungen am 29.07.2022 soll in den Zeiten von Krieg und Energiekrise eine Vereinfachung in der Planung und im Bau von Windkraftanlagen erreicht werden. Das erste Paket brachte Ostern bereits zahlreiche Neuerungen für Offshore-Anlagen. Mit dem beschlossenen zweiten Beschleunigungspaket soll der Ausbau von Onshore-Anlagen unterstützt werden. Ein drittes Paket wird im Herbst erwartet und hat das Ziel zur Digitalisierung und Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens.
Mehr Fläche bringt mehr Windkraftanlagen
Durch die Gesetzesänderungen werden gem. § 26 Abs. 3 BNatSchG auch weitere Flächen dem Bau von Windkraftanlagen geöffnet. So können Länder ab sofort Landschaftsschutzgebiete zum Bau von Windkraftanlagen einplanen. Insgesamt gibt es über 8000 Landschaftsschutzgebiete in Deutschland mit einer Fläche von etwa 10,2 Millionen Hektar. Das entspricht einer Gesamtfläche von über 28% Deutschlands. Diese Änderung bewerten viele Experten und Unternehmen als bedeutsam.
Mehr Planungssicherheit von Windkraftanlagen
Generell ist für die Planung von Windkraftanlagen entscheidend, Nistplätze von kollisionsgefährdeten Vogelarten zu meiden.
Im §45b Abs. 3 BNatSchG definiert der Gesetzgeber genau 3 Bereiche um Nistplätze, die jeweils andere Vorgaben für Windkraftanlagen und deren Genehmigung definieren, den Nahbereich, den festgelegte Prüfbereich und den erweiterten Prüfbereich. Der Umfang der Bereiche variiert je nach Vogelart. Der Nahbereich eines Baumfalkes liegt beispielsweise bei 350 Metern, während der eines Schreiadlers bereits 1500 Meter bemisst.
Grundsätzlich ist im Nahbereich kein Bau von Windkraftanlagen möglich. Diese strikte Auslegung des Nahbereichs ist zwar ein Novum, aber auch früher bereits gängige Praxis. Denn auch schon vor der Neuerung wurde kein Bauvorhaben genehmigt, wenn im unmittelbaren Umfeld der geplanten Anlage ein Nistplatz einer gefährdeten Vogelart war.
Im festgelegten Prüfbereich kann unter Auflagen und Schutzmaßnahmen ein Bau einer Windkraftanlage stattfinden. Im erweiterten Bereich sind nur in speziellen Fällen Maßnahmen zu ergreifen. Fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen für die Prüfbereiche sind Micro-Siting, Antikollisionssysteme, Abschaltung bei Bewirtschaftungsereignissen, Schaffung von Ausweichnahrungshabitaten, Senkung der Attraktivität im Mastfußbereich oder die phänologiebedingte Abschaltung der Anlage. Im Grundsatz geht es immer darum, entweder bestimmte Standorte und Flugkorridore zu meiden, Kollisionen zu verhindern, bei einer geplanten Mahd die Anlage abzuschalten, neue Flächen für die Vögel zu erschließen oder den Bereich um die Anlage zu sichern.
Liegt ein Nistplatz außerhalb des erweiterten Prüfbereichs so werden keine Schutzmaßnahmen vorgeschrieben.
Der Gesetzgeber hat zu den Schutzmaßnahmen auch eine Zumutbarkeitsschwelle eingeführt. Diese Schwelle gibt an, dass Maßnahmen je nach Standort, die mehr als 6, bzw. 8% des Ertrages kosten, nicht angewendet werden müssen. Dies ist ein wirksames Instrument für die wirtschaftliche Planungssicherheit. Der Betrieb einer Anlage kann im Nachhinein also nicht unendlich eingeschränkt und so unwirtschaftlich gemacht werden.
Verbot von Nisthilfen sorgt für mehr Sicherheit für Vögel
Ab sofort dürfen keine Nisthilfen innerhalb von 1500 Metern mehr um Windkraftanlagen angebracht werden. Dies verhindert das absichtliche Anlocken der gefährdeten Vogelarten zum Schutz dergleichen und zum Schutz von geplanten weiteren Bauvorhaben.
Repowering von Windkraftanlagen im neuen Gesetz verankert
Zusätzlich sind im § 45c nun weitere Regelungen für die Erneuerung von Windkraftanlagen getroffen wurden. Solange man die Vorbelastung der alten Windkraftanlage durch eine neue nicht überschreitet, kann eine neue Anlage nach dem Rückbau der alten Windkraftanlage wieder am gleichen Ort aufbaut werden. Die neuen Regeln geben den Anlagenbetreibern auch mehr Zeit, insgesamt nun 48 Monate anstatt 24. Leider sind hier auch noch einige Dinge zu frei formuliert, wie z.B. die Vergleichskriterien zwischen den alten und neuen Anlagen.
Insgesamt führen die Neuerungen zu mehr Planungssicherheit und zeigen einen weiteren zentralen Vorteil des Planungsbeschleunigungspakets auf.
Es erfolgt eine Vereinheitlichung der Regeln auf Bundesebene.
Das Beschleunigungspaket II trifft neue Regelungen zu den gefährdeten Vogelarten, den Abständen und Schutzmaßnahmen bundesweit. Ein Flickenteppich aus Sonderregelungen und bürokratischen Abläufen wird nun durch ein vereinfachtes Regelwerk und vereinheitlichten Prozess ersetzt. In einigen Ländern muss allerdings auch darauf geachtet werden, dass die bundesweiten Regelungen eine Verschlechterung zur ehemaligen Situation darstellen.
So musste in Nordrhein-Westphalen bei einer Mahd eine Windkraftanlage nur dann abgestellt werden, wenn innerhalb von 100 Meter gemäht wurde. Die bundesweite Regelung gibt nun vor, dass bei einer Mahd innerhalb von 250 Meter die Windkraftanlage abgeschalten werden muss.
Erzielt die Gesetzesänderung eine Beschleunigung für die Genehmigungspraxis?
Insgesamt sorgen die bundesweiten Vereinheitlichungen für eine Erleichterung beim Bau von Windkraftanlagen. Die Änderungen sind notwendig, aber noch nicht vollständig. So gibt es immer noch einige Bestandteile, die entweder nicht abschließend geregelt, bzw. zu offen gestaltet sind. Zu begrüßen ist in jedem Fall, dass zukünftig mehr Flächen zur Verfügung stehen und die bürokratischen Hürden vereinfacht werden. Auch die präziseren Angaben für die Nistplätze und Planungsbereiche sind ein guter Anfang. Der Gesetzgeber sollte nun noch nachbessern und weitere Fallstricke und Grenzen bei der Planung von Windkraftanlagen und im Artenschutz definieren, z.B. bei Zugvögeln, wechselnden Nistplätzen, Störungsverbot und Fledermausschutz. Auch die Methoden zur Analyse der Prüfbereiche müssen noch finalisiert werden. Der Bundesverband Windenergie schätzt die umgesetzten Maßnahmen nicht für ausreichend ein.
Wenn Sie Fragen zu einer Windkraftanlage haben oder sich für den Bau einer Windkraftanlage interessieren, melden Sie sich gern unverbindlich bei mir per E-Mail an dominikwloka@dwloka.com.
